Notizen zur Umgangssprache 6: Diathesen

Oktober 30, 2009

Wie genau die Diathesen im Indonesischen funktionieren, ist in der Sprachwissenschaft eine umstrittene Frage. Aufsätze wie Chung (1976) und verschiedene Beiträge in Wouk & Ross (2002) stellen nur eine kleine Auswahl von Positionen dar (Wohlgemuth 2003 beschreibt die Diskussion in deutscher Sprache).  Traditionell werden für das Indonesische zwei Passivtypen unterschieden, das di-Passiv und das 0-Passiv:

  • beim di-Passiv ist das Verb mit di- markiert, und der Urheber folgt dem Verb, optional markiert durch oléh: Aku dilihat oléh dia. Ich wurde von ihm gesehen.
  • beim 0-Passiv geht dem präfixlosen Verbstamm eine enklitische, typischerweise pronominale Urheberphrase voraus: Buku ini kubaca. Dieses Buch wurde von mir gelesen.

Einige Sprachwissenschaftler vertreten nun die Ansicht, daß nur das di-Passiv ein Passiv darstellt, während das sogenannte 0-Passiv ein Patiensfokus sei. Wieder andere sagen, daß das Indonesische weder Aktiv noch Passiv kenne und die Präfixe vielmehr semantische Bedeutung aufwiesen.  Sneddon folgt der von beiden Seiten kritisierten traditionellen Ansicht.  An dieser Stelle will ich jedoch nicht weiter auf die Diskussion eingehen und mich darauf beschränken, die Position von Sneddon in ICG zur Standardsprache und in CJI zur Umgangssprache beschreibend wiederzugeben.

Für die Standardsprache nimmt Sneddon an, daß sie gewissen Beschränkungen unterliegen:

  • das di-Passiv kann nur mit Urhebern der dritten Person stehen.
  • das 0-Passiv kann nur mit pronominalen Urhebern stehen.

Pronominale Urheber in der dritten Person wären demnach die einzigen Fälle, bei denen beide Passive zum Einsatz kommen könnten:

(1a) Buku sejarah ini dibacanya.

(1b) Buku sejarah ini dia baca.

„Dieses Geschichtsbuch wurde von ihm gelesen.“

In der Umgangssprache gelten diese Beschränkungen nicht:

  • Beim di-Passiv kann demnach auch ein Urheber in der ersten Person stehen, Urheber der zweiten Person traten bei Sneddon nicht auf. Außerdem wird der Urheber statt oléh in der Regel durch (s)ama markiert.
  • Beim 0-Passiv kann auch ein nicht-pronominal gebrauchter Name als Urheber stehen.

(2) meréka dibantu sama kita juga loh.

Ihnen wurde auch von uns geholfen.

(3) kalo elu yang beli harga nggak akan sama dengan yang Ronny atau Anyun ambil.

Wenn du derjenige bist, der einkauft, wird der Preis nicht derselbe sein, den Ronny oder Anyun bekommen.

Ein möglicher Kritikpunkt an dieser Unterscheidung ist wiederum die Tatsache, daß die Grenzen zwischen der Standardsprache und der Umgangssprache fließend sind und es daher unklar ist, wie real diese Beschränkungen sind. Klar ist jedoch, daß viele Sprachwissenschaftler bei der Beschreibung der wie auch immer genanten Passivformen eine Distribution der Formen annehmen, wei sie Sneddon für die Umgangssprache beschreibt.

Weitere Unterschiede, die Sneddon für die Umgangssprache beschreibt:

  • in der Umgangssprache muß beim 0-Passiv nicht zwingend das Hauptverb dem Klitikon folgen, es kann auch ein präverbales Element wie ein Negator oder ein Hilfsverb dazwischentreten: Ini yang meréka tidak pikirkan. „Dies ist, was sie nicht bedacht haben“ und Ini yang kita mau angkat. „Dies ist, was wir anheben werden.“  Anzumerken ist, daß solche Fälle von Wouk (2004a) nicht mehr als 0-Passiv angesehen werden, sondern als präfixlose Aktivform. Sneddon merkt später an, daß in einigen Fällen präfixlose Aktivformen und 0-Passivformen nicht formal unterscheidbar sind.
  • Manche in der Standardsprache intransitive Verben können als 0-Passiv in der Umgangssprache verwendet werden: mau/mo „wollen„, tau „wissen“ und suka „mögen“: Céwék-céwék di Atma gua suka karena banyak yang cantik. „Ich mag die Mädels von der Atma-Universität, weil viele von ihnen hübsch sind.“
  • Auch einige Adjektive wie kecéwa „enttäuscht“ und sebel „verärgert“ können in Passivkonstruktionen auftreten, wo in der Standardsprache durch meng- -kan zum Verb abgleitete Formen erwartet würden. Kayak gitu yang gua sebel. „Solche Sachen sind, worüber ich enttäuscht bin.“
  • Für das di-Passiv merkt Sneddon an, daß in allen Genres, die Gegenstand der Untersuchung in CJI waren, die Konstruktion in 85%-93% der Fälle ohne expliziten Urheber stand. Insgesamt gilt auch, daß das Passiv viel häufiger vorkommt, als es z.B. im Englischen der Fall wäre. Dies ist eine typische Eigenschaft von austronesischen Sprachen.

Notizen zur Umgangssprache 5: -nya

Oktober 21, 2009

Das Suffix -nya ist eines der wichtigsten Morpheme im Indonesischen und nimmt in jeder grammatischen Darstellung einen großen Platz ein. Das Suffix findet sowohl in der Umgangs- als auch der Standardsprache Verwendung. Im folgenden gehe ich von zwei Quellen aus, die sich mit dem umgangssprachlichen Gebrauch dieses Suffixes beschäftigen, Kapitel 2.8 von Sneddons CJI und Kapitel 5 von Englebretson 2003. Es gilt jedoch die Warnung von Sneddon, daß „the functions of -nya are many and varied and are not entirely well-understood.“

-nya als Possessivmarker

Die Verwendung von -nya als anaphorisch gebrauchtes Possessivpronomen der 3. Person ist eine der Hauptfunktionen dieses Suffixes.

(1) padahal ibu-nya nggak suka ramai kan.

Dieser Satz illustriert gleichzeitig, daß die dritte Person hier aus Höflichkeitsgründen sich auf den Gesprächspartner beziehen kann, um eine direkte Ansprache zu vermeiden (namanya siapa usw.).

Eine für die Umgangssprache typische Verwendung wird von Sneddon Ligatur genannt:

(2) Itu méja-nya Pak Bun.

Diese Konstruktion soll aus dem Javanischen stammen. Sie kann auch bei Pronomen auftreten, inkl. der ersten Person, was in der Standardsprache nicht möglich ist.

(3) Abu-abu, kayak-nya handphone-nya aku.

(4) Égo-nya dia kalah besarnya sama elu.

Eine weitere Verwendung von -nya als Posssessivmarker spielt auch eine Rolle in der Topic-Comment-Konstruktion, die sowohl im Standardsprache als auch in der Umgangssprache vorkommt.

-nya als Identifizierbarkeitsmarker

Eine weitere Funktion von -nya ist es, Definitheit bei Nomen auszudrücken (Identifizierbarkeit im Diskurs bei Englebretson). In dieser Hinsicht ähnelt -nya hier dem Demonstrativpronomen itu, wie auch in IRG (2.7, 2.50) beschrieben. Laut Sneddon kann sich itu nur auf Referenten beziehen, die im Diskurs schon einmal explizit eingeführt worden sind, während dies bei -nya auch auf implizit als definit verstandene zutreffen kann.  Z.B. folgt im untenstehenden Beispiel die Definitheit von penjahatnya „der Kriminelle“ aus dem Kontext des Films, um den es geht:

(5)
A: Kayak kemaren gua nonton film Bone Collector. Sampe gua takut naik taksi.
B:  Loh émang kenapa?
A: Iya karena émang penjahat-nya nyetir taksi.

Eigennamen und Pronomen, die in der Regel definite und identifizierbare Referenten haben, können anders als in der Standardsprache in der Umgangssprache mit -nya markiert werden, und auch zusammen mit itu auftreten:

(6) Terus untungnya Erikanya itu, udah ngerti itu lho.

(7) Tapi kan nggak ada itunya.

Dies gilt auch für Interrogativpronomen, wo es zu Konstruktionen wie Yang mana-nya oder Apa-nya? kommen kann.

Sneddon faßt einiges davon auch als emphatische Funktion auf, die auch auf andere Wortarten ausgedehnt werden kann, wie Adverbien:

(8) Elu oke-lah di sini. Tapi di sini-nya elu botak begini.

(9) Iya, saya penyanyi dulu-nya.

-nya als Nominalisierer

Die Verwendung von -nya als Nominalisierer scheint eine sekundäre Ableitung von seiner Funktion als Identifizierbarkeitsmarker zu  sein. Dies ist im Standardindonesischen recht häufig, wobei hierbei nur intransitive Prädikate in Frage kommen wie Adjektive oder intransitive Verben. Transitive Verben können nur in einer valenzreduzierten Form mit di- auftreten, wie das folgende Beispiel aus IRG, S. 302, zeigt:

(10) Lalu lintas menjadi macét karena ditutupnya beberapa jalan.

Wichtig ist dabei zu beachten, daß hier -nya keineswegs sich auf den Urheber der Handlung bezieht, sondern dieser vielmehr ungenannt bleibt. Diese nominalisierten Prädikate werden in der Regel von einer Nominalphrase gefolgt, die das Prädikat näher modifiziert, wie beberapa jalan im oberen Beispiel. Laut Sneddon sind solche Nominalattribute eher selten in der Umgangssprache. Die Nominalphrase, die in der Standardsprache typischerweise das nominalisierte Prädikat modifizieren würde, wird in der Regel in der Umgangssprache kurz davor eingeführt:

(11) Bokap gua uda meninggal. Meninggal-nya itu taun sembilan lima.

(12) kan itu beli-nya di Kupang.

Manche Konstruktionen ähneln ihrer Struktur nach normalen Subjekt-Prädikat-Konstruktionen, nur mit dem Unterschied, daß das Verb nominalisiert ist:

(13) Dia udah dateng-nya telat.

-nya als Pronominalmarker

Zusammen mit seiner Funktion als Possessivmarker der 3. Person ist die andere wichtige Funktion von -nya die Verwendung als Pronominalmarker für die 3. Person, und zwar bei transitiven Verben als Objektpronomen in agensorientierten Formen und als Urheber bei patiensorientierten Formen. Was letzteres angeht, ist dies laut Englebretson nicht in der Umgangssprache von Yogyakarta nachweisbar. Sneddon gibt ein Beispiel aus der Umgangssprache von Jakarta:

(14) Kalo mama gua minta uang lima puluh ribu nih, dikasihnya dua ratus ribu.

In anderen Beispielen aus Englebretsons Yogyakarta-Korpus, die den Anschein ähnlicher Konstruktionen erwecken, bezieht sich -nya ausschließlich auf unbekannte oder irrelevante Urheber:

(15) udah nggak enak dilihat-nya.

Was die agensorientierten Formen angeht, bemerkt Sneddon, daß in der Standardsprache -nya nur stehen kann, wenn das Verb das meN-Präfix trägt. Dies ist in der Umgangssprache nicht der Fall:

(16) gimana cara dapetin-nya?

In der Standardsprache müßte die Form entsprechend mendapatkan-nya lauten.

-nya als Adverbialmarker

-nya kommt auch bei der Bildung von Adverbien ins Spiel. Z.B. wird im folgenden Beispiel aus dem Adjektiv biasa ‚gewöhnlich, normal‘ das Adverb biasa-nya ‚gewöhnlicherweise, normalerweise‘:

(17) Biasa-nya meréka tu paké jakét.

Auch gibt es ein Konstruktion mit se-nya, was ein Modaladverb bildet:

(18)
A: Kapan pindah La.
B: Ya e se-cepat-nya.

Englebretson geht nun en detail auf die Verwendungsweise von -nya als „framing device“ ein, d.h. -nya bildet eine Reihe von satzadverbialen Ausdrücken, die epistemische Bedeutung aufweisen. Ich habe an anderer Stelle eine auf Englebretson 2003 basierende Auflistung erstellt und möchte es an dieser Stelle bei drei Beispielsätzen belassen:

(19) kata-nya dikasih temennya

(20) untung-nya Si Agnes kerasa ya?

(21) pokok-nya temen-temen yang moto…

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Galungan di Jerman

Oktober 12, 2009

Die höchsten Feiertage der Balinesen, Galungan, gefolgt von Kuningan stehen bevor, ersteres am 14., letzteres am 24.  (für genauere Informationen s. hier und hier). Für viele Balinesen ist dies Pflicht, in das Heimatdorf zurückzukehren, doch gerade für die Balinesen in Deutschland kann dies manchmal unmöglich sein. Laut einem indonesischsprachigen Bericht der  Bali Post finden daher auch Feierlichkeiten in Deutschland statt. Während Galungan am 14. bei jedem einzeln zu Hause gefeiert wird, soll Kuningan am Samstag, d. 24. Oktober 2009, im Rahmen einer zentralen Veranstaltung in Frankfurt begangen werden.

Selamat hari raya Galungan dan Kuningan!


Notizen zur Umgangssprache 4: in-Suffix

Oktober 12, 2009

Bei den transitiven Verben gibt es zusätzlich zu den Suffixen -kan und -i, die auch in der Standardsprache vorkommen, in der Umgangssprache zusätzlich noch ein aus dem Balinesischen stammende Suffix -in, womit sich Sneddon in Kapitel 2.7 beschäftig. Dieses kann in vielen Fällen anstelle von -kan und -i treten, wie z.B. die beiden folgenden Beispiele:

(1) Papi Sandy beliin Sandy organ.

(2) Gua ngedeketin dia untuk jadi pacar gua.

In der Standardsprache kann -i nicht nach auf -i endenden Verbstämmen folgen, in der Umgangssprache gilt dies für -in nicht: bukti-in ‚beweisen‘. Andererseits kann -in die Suffixe -kan und -i nicht ersetzen, wenn diese Suffixe zusammen mit den Präfixen ter- oder ber- auftreten.

Sneddon stellt zudem fest, daß einige Verben, die in der Standardsprache ohne -kan oder -i stehen, können in der Umgangssprache mit -i stehen, wobei der Gebrauch des Suffixes hier jedoch optional ist:

  • bantu(in) ‚helfen‘
  • coba(in) ‚(etwas) versuchen‘
  • jaga(in) ‚bewachen‘
  • liat(in) ’sehen‘
  • ajak(in) ‚drängen, einladen‘
  • tutup(in) ’schließen, bedecken‘
  • tunggu(in) ‚erwarten‘
  • ngajar(in) ‚lehren‘

Das folgende Beispiel zeigt, daß sogar in derselben Äußerung zwischen Formen mit und ohne -in variiert werden kann:

(3) Saya ngajarin daerah-daerah tertentu.. saya ngajar acting juga.

Schließlich weist Sneddon darauf hin, daß in manchen Fällen nicht dasselbe Verb mit den verschiedenen Suffixen auftritt, sondern in der Standard- und der Umgangssprache verschiedene Verbstämme zum Einsatz kommen:

  • ‚hinstellen, hinlegen‘: Standardsprachlich letakkan, umgangssprachlich taruh
  • ‚verstecken‘: Standardsprachlich sembunyikan, umgangssprachlich umpetin

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Anggun: Mimpi

Oktober 9, 2009

Anggun ist eine 1974 geborene, international bekannte javanische Sängerin mit französischer Staatsangehörigkeit. In Jakarta geboren, wuchs sie in Yogya auf und wurde schon in jungen Jahren in Indonesien bekannt. Anfang der 90er Jahre heiratete sie einen Franzosen und beschloß, eine internationale Musikkarriere in Europa zu verfolgen. 1997 gelang ihr der Durchbruch in Frankreich mit einem auf französisch gesungenen Album.  Es ist daher nicht verwunderlich, daß sie neben Liedern auf indonesisch auch zahlreiche Lieder auf englisch und französisch veröffentlicht hat.

Hier soll es um ihren Hit Mimpi („Traum“) von 1989 gehen. Die erste Version ist die Originalversion, die sie im zarten Alter von 15 Jahren aufnahm,  hilfreicherweise mit Untertiteln auf indonesisch und englisch:

Hier eine aktuelle Version des Liedes, 20 Jahre später, nur mit englischen Untertiteln:

Dalam hitam gelap malam… / In der schwarzen dunklen Nacht…

Ku berdiri melawan sepi… / Ich stehe und kämpfe gegen die Einsamkeit an

di sini… di pantai ini…. / hier, an diesem Strand

telah terkubur sejuta kenangan… / habe ich Millionen an Erinnerungen begraben

dihempas keras gelombang… / die von den hohen Wellen hinuntergeschleudert werden

yang tertimbun batu karang… / und sich unter dem Felsen anhäufen

yang takkan mungkin dapat terulang… / und die sich nicht mehr wiederholen werden

wajah putih… pucat pasi… / weißes Gesicht, leichenblaß

tergorés luka di hati… / gezeichnet von einer Wunde im Herzen

matamu membuka kisah… / deine Augen eröffnen eine Geschichte

kasih asmara yang telah ternoda… / von einer romantischen Liebe, die befleckt ist

hapuskan semua khalayan… / lösche alle Illusionen aus…

enyahkan satu harapan… /werde die einzige Hoffnung los…

ke mana lagi harus mencari… /wo sonst noch sollte (man) suchen

kau sandarkan … sejenak beban diri… / du stützt dich auf deine Last für einen Augenblick

kau taburkan… benih kasih… hanyalah émosi… / du säst die Saat der Liebe, (doch) nur Emotionen

Refrain:

melambung jauh, terbang tinggi… bersama mimpi… / Weitspringend, hochfliegend, zusammen mit den Träumen

terlelap dalam lautan émosi… oh… / fest schlafend im Ozean der Emotionen

setelah aku sadar diri… kau tlah jauh pergi… / Als ich wieder bewußt bin (aufwache?), bist du schon weit fort…

tinggalkan mimpi yang tiada bertepi… / und hinterläßt nicht enden wollende (=endlose) Träume

kini hanya rasa rindu… / hier ist nur ein Gefühl der Sehnsucht

merasuk di dada…. / das (meine) Brust durchdringt

serasa sukma melayang pergi… / es fühlt sich an, als ob (meine) Seele weit weg geflogen ist

terbawa arus kasih membara…. / getragen vom Strom der glühenden Liebe

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Indonesische Ortsnamen auf chinesisch – Teil 1, Inseln

Oktober 6, 2009

In einer Reihe von Beiträgen will ich mich damit beschäftigen, wie indonesische Ortsnamen ins Chinesische übertragen werden. Aufgrund der logographischen Schrift des Chinesischen ist die Übertragung fremdländischer Namen nicht ohne weiteres zu erschließen. Grundsätzlich gibt es folgende Arten der Übertragung:

  • Transliteration, d.h. chinesische Schriftzeichen werden aufgrund ihrer ähnlichen Aussprache ohne Rücksicht auf die individuelle Zeichenbedeutung herangezogen. Z.B. 柏林 Bólín für Berlin. Dies ist bei weitem die häufigste Methode. Aufgrund der langen Geschichte von chinesischen Einwanderern in Indonesien gibt es viele Transliterationen, die auf alten Namen beruhen oder auf anderen chinesischen Sprachen und Dialekten als dem Mandarin.
  • Eine sinngemäße Übersetzung (Calque), d.h. ein Name wird anhand seiner Bedeutung übersetzt. Z.B. 牛津 Niújīn für Oxford, mit den jeweiligen chinesischen Zeichen für „Kuh“ und „Furt“. Heute sehr selten.
  • In Regionen außerhalb Chinas mit einer langen Geschichte chinesischer Einwanderung, wie die Vereinigten Staaten oder Südostasien, haben einige Orte auch spezifisch chinesische Namen, die mit dem ursprünglichen Namen keine Beziehung haben. Z.B. ist der chinesische Name für San Francisco „Alter Goldberg“, 舊金山 Jiùjīnshān. Naturgemäß sehr selten.
  • Eine Mischung aus Transliteration und Calque, z.B. 劍橋 Jiànqiáo für Cambridge. Das erste Zeichen mit der Bedeutung „Schwert“ wurde für seine Aussprache gewählt und das zweite Zeichen bedeutet „Brücke“.

Auch wenn bei der Methode die Transliteration bei weitem überwiegt, sind bei vielen Ortsnamen verschiedene Versionen im Gebrauch. Besonders häufig ist dies der Fall beim in Taiwan gebräuchlichen Taiwan-Mandarin (auch 國語  guóyŭ genannt), das dort von dem in der Volksrepublick verwendeten 普通话 pŭtōnghuà abweichen kann. Diese sind jeweils mit TW (für Taiwan) und BJ (für Beijing/Peking) gekennzeichnet. Wo diese Unterschiede sich lediglich auf die Form der Schriftzeichen beziehen, sind diese nicht berücksichtigt. Sofern in Hong Kong,  Singapur und Malaysia eine von TW und BJ abweichende Schreibweise gepflegt wird, werden diese entsprechend als HK,  SG und MY gekennzeichnet.

Die Großen Inseln

  • Java (auf indonesisch Jawa):  爪哇島 Zhăowā dăo. Der alte Name der Insel lautete auf sanskrit Jawadwīpa („Insel Java“), was in zeitgenössischen chinesischen Dokumenten als 耶婆提 yēbótí wiedergegeben wurde)
  • Sumatra (auf indonesisch auch Sumatera): 蘇門答臘島 Sūméndálà dăo. Der alte Name der Insel lautete auf sanskrit Swarnadwīpa oder Swarnabhūmi (Goldene Insel oder Goldenes Land), was entsprechend auf malaiisch auch Pulau émas genannt wurde. Das Chinesische verwendete hierfür eine Sinnübersetzung, 金洲 Jīnzhōu.
  • Borneo (auf indonesisch Kalimantan):  婆羅洲 Bóluó zhōu. Diese Insel ist aufgeteilt zwischen drei Nationen:  Indonesien, Malaysia (zwei Staaten, Sabah 沙巴 Shābā und Sarawak沙勞越  Shāláoyuè (TW)/ 沙捞越Shālāoyuè (BJ)/ 砂拉越 Shālāyuè (MY)) und Brunei (汶萊 Wènlái in TW, 文莱 Wénlái in BJ). Der chinesische Sprachgebrauch scheint den der westlichen Welt zu spiegeln, d.h. Borneo wird als Name der gesamten Insel bevorzugt, und das indonesische Kalimantan nur in einem spezifisch indonesischen Kontext verwendet. Hierfür wird加里曼丹島 Jiālĭmàndān dăo verwendet. Die Insel taucht unter verschiedenen Varianten in alten chinesischen Dokumenten auf, meist eine Variation auf Borneo: 渤泥 Bóní,婆利 Bólì, 婆羅 Bóluó, 婆羅乃 Bóluónăi.
  • Sulawesi (ehedem Celebes): 蘇拉威西島 Sūlāwēixī dăo. Der alte Name Celebes wurde als 西里伯 Xīlĭbó wiedergegeben.
  • Neuguinea/Papua/Irian: wie die einzelnen Namen zueinander stehen, habe ich ja bereits in einem früheren Artikel beschrieben. Hier möchte ich nur die jeweiligen chinesischen Transkriptionen aufführen. Neuguinea (auf indonesisch Niugini) ist 紐幾內亞 Niŭjīnèiyà in TW, und 新畿內亞 in HK, in Kurzzeichen in BJ als 新几内亚, beide Xīnjīnèiyà. Papua ist巴布亞 Bābùyà, Irian 伊利安 Yīlì’ān.

Die Kleinen Inseln

  • Madura (nordöstlich von Java, Provinz Jawa Timur): 馬都拉島 Mădūlā dăo.
  • Bali (östlich von Java, Provinz Bali): 峇里島/巴里島 Bālĭ dăo in TW, 巴厘島 Bālí dăo in BJ.
  • Lombok (östlich von Bali, Provinz Nusa Tenggara Barat, NTB): 龍目島 Lóngmù dăo.
  • Sumbawa (östlich von Lombok, Provinz NTB):  松巴哇島 Sōngbāwā dăo.
  • Sumba (südöstlich von Sumbawa, Provinz Nusa Tenggara Timur, NTT): 松巴島 Sōngbā dăo.
  • Flores und Komodo (östlich von Sumbawa, Provinz NTT): 弗洛勒斯 Fúluòlèsī dăo, 科莫多島 Kēmùduō dǎo, 哥摩多島 Gēmóduō dǎo. Die auf Insel Komodo heimischen Komodowarane heißen auf chinesisch übrigens 科莫多龍 kēmùduō lóng, 科莫多巨蜥 kēmùduō jùxī oder auch科摩多巨蜥 kēmùduō jùxī.
  • Timor (Westtimor bildet den Ostrand der Provinz NTT): 帝汶島 Dìwèn dǎo. Das im Jahre 2002 unter dem Namen Timor Leste von Indonesien (als indonesische Provinz hieß es Timor Timur, abgekürzt TimTim) unabhängig gewordene Osttimor heißt entsprechend 東帝汶 Dōng Dìwèn.
  • Die Molukken (Maluku) (heute in zwei Provinzen aufgeteilt, Maluku und Maluku Utara): 摩鹿加群島 Mólùjiā qúndǎo. Zwei der wichtigsten Inseln der Molukken sind Halmahera und Ambon. Halmahera ist auf chinesisich 哈馬黑拉島 Hāmǎhēilā dǎo, wobei es auch unter dem Namen Jilolo/Gilolo bekannt ist, was auf chinesisch wiederum mit濟羅羅島 Jìluóluó dǎo wiedergegeben wird. Ambon lautet auf chinesisch 安汶島 Ānwèn dǎo.
  • Riau-Inseln (östlich von Sumatra, Provinz Kepulauan Riau): 廖內群島 Liàonèi qúndǎo.